Samuel Núñez ist Regisseur, Filmemacher, Coach und Dozent mit den Schwerpunkten emotionaler Ausdruck, Schauspielregie, Physical Theatre und Transdisziplin. Seit mehr als 25 Jahren erforscht und entwickelt er Techniken für künstlerische Ausbildung wie Inszenierung. Als Filmemacher an der Schnittstelle von Doku und Fiktion beschäftigt er sich aktuell insbesondere mit dem Potential der Verbindung seiner verschiedenen Kompetenzfelder.
Samuel Núñez beginnt im Alter von 15 Jahren Theater zu spielen. Mit 17 entwickelt er erste eigene Ideen zur Emotionsarbeit innerhalb der Schauspielkunst, schreibt sein erstes Theaterstück und wird mit 18 Jahren Mitglied einer professionellen Theaterkompanie. Seine Ausbildung im Fach Theater absolviert er 1995 - 1999 in Santiago de Chile. Direkt im Anschluss beginnt er an seiner alten Schule die Tätigkeit als Dozent für Schauspiel und zeitgenössischen Tanz.
Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit sowie als Schauspieler, Regisseur, Dramaturg und Choreograph verschiedener Theaterlabors und Kompanien beginnt er, die Möglichkeiten eines grenzüberschreitenden Theaters im Sinne Antonin Artauds und Jerzy Grotowskis zu erforschen. Er studiert insbesondere Körpersprache und Emotionen sowie deren Bedeutung und Anwendung im Theater. Dabei vertieft er sich u.a. in die Methoden von Konstantin Stanislawski, Peter Brook, Eugenio Barba und Wsewolod Meyerhold sowie Alejandro Jodorowsky, die seine Arbeitsweise bis heute beeinflussen. Er studiert intensiv Method Acting nach Stella Adler und Lee Strasberg, hat aber immer noch das Gefühl, nicht alles gefunden zu haben, wonach er sucht.
Samuel lernt die Technik “Alba Emoting”, die von der Neurologin Dr. Susana Bloch als Therapiemethode u.a. für emotionale Blockaden entwickelt wurde. Beim Alba Emoting werden die respiratorischen und muskulären Parameter einer Emotion reproduziert, um sie tatsächlich zu erleben. Inspiriert durch diese Erfahrung, beginnt Samuel, eine Methodik zu entwickeln, die dazu dient, Emotionen und komplexe psychologische Zustände authentisch zu verkörpern. Neben den Techniken der authentischen Interpretation sammelt, entwickelt und systematisiert er über Jahre hinweg auch viele Werkzeuge für Textanalyse, Rollenarbeit und die präzise Vorbereitung der Interpretation vor der Kamera und auf der Bühne.
Gleichzeitig vertieft er sich in Disziplinen unterschiedlicher Kulturen, die sich mit Körper und Geist des Menschen befassen, unter anderem westliche Psychologie, Anthropologie, Noh-Theater, Butoh, Taoismus, Yoga, Zen-Buddhismus und Budō (Weg der japanischen Kampfkunst). Seine Erkenntnisse aus den verschiedenen Bereichen verbindet Samuel mit weiteren bestehenden und eigenen Techniken aus Tanz, Theater und bildender Kunst.
So entsteht eine transdisziplinäre Methode für künstlerische Ausbildung und Kreation, in deren Zentrum der Körper steht. Die Interaktion zwischen psychologischer, emotionaler und physischer Ebene kann zu einem freien und authentischen Ausdruck verhelfen, über Blockaden sowie konzeptionelle und Genre-Barrieren hinweg. Gleichzeitig bilden die vielen, ineinandergreifenden Techniken ein sehr umfassendes System, das Klarheit und Sicherheit ins künstlerischen Arbeiten bringt.
In Barcelona beginnt Samuel Núñez ab 2002, die Ergebnisse des jahrelangen Forschens im Rahmen von freien Theaterkursen, Inszenierungen und Einzelcoaching weiterzugeben. Dies setzt er ab 2004 in Deutschland fort, wo er 2007 das TATWERK Berlin - damals als Forschungs- und Ausbildungszentrum für transdisziplinäre darstellende Kunst - gründet. Er leitet es bis 2013 und konzipiert dort die Ausbildung in Integralem Theater. Er erforscht, experimentiert und systematisiert die Ergebnisse weiterhin, verfeinert seine Methode und bezieht künstlerische Arbeit mit lebendiger Stille ("The Poetry of Silence") und anhand verschiedener kreativer Zustände ein. Samuel nennt seine Methode heute
Kamae, ein japanischer Begriff, der in seinen verschiedenen Bedeutungsebenen die Wichtigkeit der inneren Haltung für das Handeln des Körpers widerspiegelt.
Er unterrichtet an verschiedenen Bildungsinstitutionen, wie an der Escola Universitària de les Arts (ERAM) der Universität Girona und an der Universität Witten-Herdecke in Deutschland. In seinen eigenen Kursen arbeitet er mit Amateuren und Profis, meist in gemischten Gruppen, was sich für beide Seiten als bereichernd erweist. Er beobachtet (und mit großem Erstaunen bemerken das ebenso die Profis), dass auch Menschen mit wenig Erfahrung oft schon nach kurzer Zeit erstaunliche Ergebnisse zeigen.
Seit einigen Jahren beschäftigt Samuel sich darüber hinaus mit dem Genre des künstlerischen Dokumentarfilms und erforscht unter anderem dessen verbindende Elemente mit seiner bisherigen Arbeit. 2020 beendet er sein Masterstudium in Dokumentarfilmregie mit dem Kurzfilm "El Segundo Baile" ("Der Zweite Tanz"). Derzeit arbeitet er an seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm "Chasing the Light", dessen Produktion von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert wird. Gleichzeitig entwickelt er neuen Ideen für die Fusion von Dokumentation und Fiktion im Film sowie für die Anwendung von audiovisueller Kunst in Theater und Performance.